Wir, die älteste deutsche Sütterlinstube, verdanken unsere Gründung 1996 der Beantwortung einer Frage, die sich der damalige Leiter des Altenzentrums Ansgar im Hamburger Stadtteil Langenhorn stellte: „Was können alte Menschen, junge jedoch nicht?“ So kam er auf die Idee, eine Sütterlin-Schreibstube einzurichten – als eine Form der Beschäftigungstherapie und eines sinnerfüllten Lebens im Alter. Es ging um die Übertragung von Briefen, Tagebüchern, Reise- und Fluchtberichten, sowie alter handschriftlicher Urkunden – teilweise noch aus dem 16. Jahrhundert – in unsere heutige Schrift. Schon bald zeigte sich, dass die Nachfrage nach solchen Leistungen (zudem nur gegen freiwillige Spenden für den Förderverein dieses Altenzentrums) erheblich größer war, als die Bewohner leisten konnten. Das wurde in den letzten zehn Jahren durch überregionale Berichte im Fernsehen, Rundfunk und in der Presse noch verstärkt. Die heutigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter rekrutieren sich daher nicht mehr aus dem Altenzentrum, sondern aus ganz Hamburg und dem nahen Umland.
Außerhalb Deutschlands werden unsere (ausschließlich ehrenamtlich) von unseren Senioren erbrachten Übertragungsleistungen in erster Linie von Nachkommen deutscher Auswanderer und jüdischer Flüchtlinge nachgefragt.
Seit 2009 sind wir ein gemeinnütziger eingetragener Verein
für die Bereiche Altenhilfe, Kunst und Kultur.
Trotz dieser organisatorischen Selbständigkeit werden wir
auch weiterhin, getreu dem Motto „Senioren helfen Senioren“, in
erster Linie finanziell und personell die Arbeit des
Altenzentrums Ansgar unterstützen (150 Bewohnerinnen und
Bewohner zu zwei Drittel Pflegestufen 2 und 3). Zur personellen
Unterstützung gehören u.a. die Beteiligung an Gottesdiensten und
Andachten und die Durchführung kultureller Führungen, auch bei
anderen steuerbegünstigten Körperschaften oder Körperschaften
des öffentlichen Rechts, die steuerbegünstigte Zwecke
verwirklichen.
Unser Interesse gilt nicht nur der korrekten (buchstabengerechten) Übertragung, sondern auch den übertragenen Inhalten selbst. Im Laufe unserer langjährigen Tätigkeit konnten wir uns auch inhaltlich einen Erfahrungsschatz aufbauen, der gern für Forschungszwecke genutzt wird (natürlich über die jeweiligen „Auftraggeber“, denen wir zur Vertraulichkeit verpflichtet sind). Gerade für Verfasser von Dissertationen, die auf die Kenntnis von (in deutscher Schrift verfasster) Primärliteratur des 18. und 19. Jahrhunderts angewiesen sind und die sich teure Spezialisten nicht leisten können, sind wir seit Jahren eine geschätzte Hilfe.
Wir sind uns bewusst, dass wir mit unserer Arbeit historische Inhalte erschließen, sie damit der Vergessenheit entziehen und damit eine Brücke zwischen den Generationen sind, auch innerhalb von Familienverbänden (durch Übertragung von Tagebüchern, Fluchtberichten und Briefen). Damit dies möglich bleibt, ist es erforderlich, unsere Schriftkenntnis weiterzugeben. Das machen wir derzeit durch:
Aktivierung der Fähigkeit, die deutsche Schrift zu lesen und zu schreiben. (Dazu wird der Verein durch einzelne Mitglieder im Rahmen anderer Bildungseinrichtungen tätig und plant mittelfristig eigene Kurse).
In geeigneten Fällen verbinden wir in der Nacharbeit zu unseren Übertragungen auch historische Auswertungen. Das hat in der Vergangenheit (ggf. in Zusammenarbeit mit anderen Kulturträgern) zur Organisation von Lesungen und Ausstellungen und zur Herausgabe schriftlicher Mitteilungen geführt. Genannt seien hier
- die Ausstellung von Bildern des Landschaftsmalers Louis Gurlitt (1812 - 1897) an sechs verschiedenen Orten innerhalb von fünf Jahren.
- die Lesung des deutsch-jüdischen Dokudramas „Metronome ticking“ an vier verschiedenen Hamburger Orten (Logensaal der Kammerspiele, Gemeindezentrum Ansgar, jüdische Talmud-Thora-Schule und Walddörfer-Gymnasium) im zeitlichen Zusammenhang mit der 70. Wiederkehr der Reichspogromnacht am 9. November 1938).