
Düsseldorf d. 22 ten Dez 1871
Mein guter Memo!
Ich habe mich recht mit Deinem Brief gefreut, u. zum Dank dafür sende ich Dir
die besten Wünsche zu einem fröhlichen Fest!
Mir wird es wieder recht schwer so lange vom Hause abwesend zu sein, besonders
jetzt, wo die rechten Familienfesttage herannahen. Ich hoffe mein Aufenthalt
hier wird mir bei meinem späten Arbeiten von wesentlichen Nutzen und das Opfer
nicht umsonst gebracht sein.
Vorläufig macht einem das viele u. verschiedenartige mehr Confuse, und
oftmals möchte es scheinen, daß man den Muth verliere sich an dem Wettkampf zu
betheiligen, aber das Gefühl der harten Pflicht und wiederaufleben des
Selbstvertrauen, läßt mich mit Hoffnung wieder an die Arbeit gehen, und so
arbeite ich so lange der Tag es irgend gestaltet, ob mit Erfolg? noch weiß ich
es nicht.
Ich sehe aus Deinen Vorschlägen mich mit Kaufhändlern in Verbindung zu setzen,
u. bei Kunst-Auktionen zu betheiligen, wie gerne Du helfen möchtest mir die
pecunären Sorgen zu erleichtern, und nur zu gerne ginge ich darauf ein, wenn es
sich machen ließe, denn die Künstlersorgen sind für eines Mannes Kraft mehr als
genug. Vielleicht könnte ich Dir später ein paar Bilder zusenden, die Du am
besten durch den Altgrafen, entweder an einen Kunsthändler brächtest, oder zur
Auction durch denselben. Viel Erfolg verspreche ich mir nicht davon, aber man
kann es versuchen.
Die Kunsthändler halten sich an diejenigen Künstler, die die neueste Richtung
vertreten u. Mode sind, und zu diesen gehöre ich wie Du weißt nicht.
Meine Zeichnungen nach der Natur machen hier bei allen die mich besuchen, das
größte Aufsehen, und immer muß ich hören, daß sie noch nie so strenge, und mit
so vielem Verständnis gezeichnete Studien gesehen haben. Aber wie Andreas
Achenbach sagte: „man kann nicht zweien Herren dienen” so mag es sein – und wie
die neue Richtung ganz von der Farbe ausgeht und die Zeichnung vernachlässigt so
gehe ich von der Zeichnung aus, und bleibe in der Farbe zurück und doch kann ich
nur auf meinem Wege Erfolge hoffen, und vielleicht erlebe ich es noch, daß die
Landschaftsmaler auch wieder zeichnen lernen müssen, was sie großentheils gar
nicht können, und sich wieder an Bäume machen, die hier fast gar nicht mehr
gemalt werden. Oswald Achenbach persuadirt mich ich solle die Zeichnungen bei
Schulte u. Bismeyer ausstellen, damit die jungen Künstler sie sehen und wieder
auf die Bäume geführt werden, er ist Prof. der Akademie hier, und meint auch es
wäre durchaus nöthig daß die jungen Künstler wieder strengere Vorstudien machen
müßten.

Mich freut es so sehr aus Deinen letzten Briefen zu sehen, daß Du ein festes Ziel gefunden hast, nach welches Du mit Deinen Arbeiten strebst. Behalte es fest in Auge und laß Dich nicht zu sehr von den vielen Zerstreuungen, namentlich Wiens, woran schon so viele zu Grunde gegangen sind, abziehen. Die Jahre, um die Nothwendigkeit einzusehen, sagst Du ja.
Cornelius kommt nach Gotha zum Fest, und Alle freuen sich sehr auf ihn, er wird dafür sorgen, daß es heiter werde; ich wäre auch gerne dort aber scheue die Ausgabe, und bleibe, meiner Bestimmung gemäß, bis Ende Januar hier. So schließt wieder ein Jahr, und dankbaren Herzens können wir es ein glückliches nennen. Der große Kreis der Lieben ist am Leben geblieben. Krieg und Krankheit sind glücklich an uns vorübergegangen, und auch in unserem Vermögensverhältnis sind wir nicht zurückgegangen. Möge das folgende Jahr ein ebenso gutes sein. Gott erhalte unsere Mama u. uns Alle gesund.
In alter Liebe, Dein Vater
Wünsche Salm's und Allen Freunden ein frohes glückliches Neujahr. Dir vor Allem, Prost Neujahr!!!!
.
(Brief von Louis Gurlitt an seinen ältesten Sohn Wilhelm (Memo) Gurltt,
Professor für Archäologie in Graz - übertragen durch die Sütterlinstube Hamburg)
Anlässlich des 100ten Todestages des Malers Lous
Gurlitt wurde sein Werk in einer Folge von Ausstellungen in Hamburg-Altona,
Flensburg und auf Nivaagaard gewürdigt.

Lebensstationen und Reisen des Louis Gurlitt
Louis Gurlitt wurde am 08. März 1812 als Sohn des Golddrahtziehers Johann August Wilhelm und seiner zweiten Frau Christine Helene, geb. Eberstein, in Altona geboren. Nach einem Onkel erhielt er den Namen Ludwig. Von klein auf wurde er jedoch Louis genannt, da zu jener Zeit alles, was französisch klang, vornehmer war. In der ersten Ehe des Vaters waren sechs Kinder geboren worden, in der zweiten folgten weitere zwölf. Einige von ihnen starben bereits im Kindesalter. Als Louis Gurlitt 1832 sein Elternhaus verließ, um an die Kopenhagener Kunstakademie zu gehen, waren noch zehn seiner Geschwister am Leben.
Hamburger Ausbildungszeit
1828 - 32 erhielt Gurlitt an der Malschule von Siegfried
Bendixen (1786 — nach 1864) in Hamburg eine erste Ausbildung zum Künstler und
Dekorationsmaler.
Da es in Hamburg und Altona an einer Kunstakademie mangelte, war das Studium
an einer der Malschulen die übliche Art, den Künstlerberuf zu erlernen. Die
Ausbildung bestand größtenteils im Kopieren älterer, vor allem niederländischer
Meister des 17. Jahrhunderts. Naturstudien betrieben die Schüler nur auf eigene
Faust.
Von Gurlitt sind aus dieser Frühphase zahlreiche Landschaftsskizzen
und -gemälde erhalten. Die gängige Ausbildungspraxis des Kopierens überlagerte
dabei seine Wahrnehmung der heimischen Landschaft und schlug sich in Motivwahl,
Komposition und Malweise nieder.
Die frühen Mühlengemälde sind zwar an der Elbe oder in der Hamburger Umgebung
entstanden, zeigen aber deutlich die Anlehnung an die Mühlengemälde des 17.
Jahrhunderts, etwa die eines Jacob van Ruisdael (1628/29 - 1682) oder Meindert
Hobbema (1638 - 1709).

Skandinavien und Bayern
1832 - 35 absolvierte Gurlitt eine Ausbildung an der
Kopenhagener Kunstakademie und unternahm mehrere Studienreisen nach Norwegen,
Schweden und Dänemark. Seine zunächst an Johan Christian Dahl (1788-1857) und
den Niederländern orientierte Landschaftsauffassung veränderte sich im Umkreis
der Akademie hin zu einem strengen Naturalismus.
1836/37 hielt sich Gurlitt in München auf und reiste mehrfach in die Gegend
Berchtesgaden und Salzburg. Der Ortswechsel brachte ein neues Verständnis der
Malerei mit sich: Gurlitt verband nun die abbildhafte Naturwiedergabe mit der in
München vorherrschenden idealen Landschaftsauffassung. Es entstanden
Landschaftsporträts bayerischer und nordischer Motive.
Die Jahre 1839-42 verbrachte Gurlitt wieder überwiegend in Kopenhagen. In Gunst
des dänischen Königs Christian VIII. stehend, löste er mit großformatigen
Gemälden dänischer Landschaften, die im Geist der Nationalromantik als „typisch
dänisch“ galten; Stürme der Begeisterung aus. Gurlitts Interesse galt in
wachsendem Maße dem Landschaftspanorama und der Idee, Landschaftszyklen zu
schaffen.
Italien; Dalmatien, Griechenland
1838 unternahm Gurlitt eine erste Studienreise nach
Oberitalien. 1843-46 hielt er sich in Rom auf und erkundete das römische Umland
und Sizilien im vielen Reisen. 1852 weilte er in Dalmatien, 1858 in
Griechenland. Es entstanden großformatige Panoramalandschaften.
Bestimmend für Gurlitts Landschaftsauffassung wurden seit den 1840er Jahren die
von dem Naturwissenschaftler Alexander von Humboldt entwickelten Thesen zur
Landschaftsmalerei:

Schleswig-Holstein
In den Jahren 1861 - 64 und 1871 - 78 unternahm Gurlitt jährlich Reisen nach Schleswig-Holstein, um neue Motive für seine Gemälde zu finden und sich einen weiteren Absatzmarkt zu erschließen. Es entstanden eine Vielzahl, oft panoramatisch angelegter Landschaftsporträts, in denen Gurlitt nach den nord- und südeuropäischen nun auch die landschaftlichen Besonderheiten Schleswig-Holsteins festhielt. Durch die Wahl außergewöhnlicher Bildformate nobilitierte er die ostholsteinische Landschaft und stellte sie gleichberechtigt neben die italienische und griechische. Die künstlerische Entdeckung Schleswig-Holsteins, die mit dem Eutiner Hofmaler Ludwig Strack um 1800 ihren Anfang genommen hatte, erreichte in den Landschaftsgemälden Gurlitts ihren Höhepunkt.
..
(Die wichtigsten Lebensstationen und Reisen des Lous Gurlitt, Landschaftsmaler
aus Norddeutschland – aus der Ausstellungsmappe der Sütterlinstube zur
Gurlitt-Ausstellung 2002)

Düsseldorf Sonnabend 28. Okt. 1871
Meine liebe Alte !
8 Uhr 45M. Abends, bin ich nach einer sehr angenehmen Fahrt hier angekommen.
Bewers erwartete mich auf dem Bahnhoff, theilte mir auch gleich mit, daß meine
Wohnung noch nicht fertig geworden sei, u. ich auf einige Tage ihr Gast sein
müsse. So erwartete mich dann in Bewer's Hause außer dem allerfreundlichsten
Empfang, ein ausgezeichnetes Abendbrot.
Ich schreibe diese Zeilen 7½ Uhr in meinem Zimmer ehe ich zum Frühstück gehe,
weil es sich leicht machen konnte, daß ich im Laufe des Tages schwer dazu komme;
da es aber kalt bei mir ist so nimm mit dem Wenigen vorlieb, in einigen Tagen
mehr. Stafleien bekomme ich von Bewer geborgt. Gott gebe Euch u. auch mir
Gesundheit, und guten Erfolg. Heute will ich viele Leute besuchen.
In aller Liebe, mit den herzlichsten Grüßen an Euch Alle — Euer Alter
Ich sehe eben daß Deine Brille mit meiner zusammen in dem großen Futteral
steckt ich werde sie Dir zusenden. Dahingegen habe ich die eine Skitze mit den
goldigbeleuchteten Bäumen am Wasser vergessen, die Du nun wirst nachsenden
müssen (Ukleisee). Mich friert sehr im kalten Zimmer, und Bewers kommen noch
immer nicht zu Gange, obgleich es nach meiner Uhr über ¾9 ist.
Wenn Du schreibst laß ein paar freundliche Worte für Bewers einfließen, die
gegen mich so außerordentlich liebenswürdig sind. Unterwegs hatte ich angenehme
Reisegesellschaft H. Beil, Schwager von Dänkers, u. einen Herrn Gebhard (?)
Bekannter von Stahrs. Beides wie mir schien, reiche Fabrikanten aus Elberfeld.

Dienstag
Heute früh, meine gute Else! kam Dein Brief von Sonntag – es freut mich, daß
es Euch wohl geht, und daß Du, die in unser Haus eingetretene Ruhe recht
genießt. Bei mir ist es auch im höchsten Grad ruhig, meine Fenster führen schon
auf einen Garten und kein Laut dringt zu mir, außer meine Clavierspieler im
ersten Stock, der den ganzen Tag auf seinem Instrument jammert, höre ich nichts.
Er spielt oft den Chopinschen Walzer u. ich denke dann immer an unseren Lulle.
Als ich gestern anfangen wollte zu malen, hatte ich keine Palette, ich habe
sie in Gotha liegen lassen, ein Freund in meiner Nähe borgte mir eine, und so
habe ich gestern u. heute fleißig untermalt. Das 2 te
Bild wird morgen fertig und eben bringt mir der Tischler schon die Leinwand
(aufgespannt) zu einem 3 ten Bilde und eine 4
te Leinwand bekomme ich morgen. Damit wird es dann wohl genug sein, denn
die Ratzeburger Bilder werden mir auch noch zu arbeiten geben – wären sie nur
erst hier! Es ist hier alles unverschämt theuer wollte ich, wie fast Alle es
thun, Abends im Malkasten essen, käme ich unter 12 - 15 Groschen nicht weg. Mein
Mittagstisch ist der billigste von dem ich gehört habe, die anderen zahlen 15 u.
20 Gr. leider hörte ich heute Mittag, daß der Wirth den Tisch nur bis Ende
dieses Monats halten will.
Abends bin ich ausnahmslos im Malkasten und bin mit einer großen Menge
Künstler, die ich bis jetzt nur dem Namen nach kannte, bekannt geworden. Ehe ich
hingehe esse ich zu Hause u. trinke dort im Malkasten auch erst 2 Glas Bier,
unterhalte mich, lese Zeitung, sehe beim Billard und Kartenspielen zu und gehe
erst um 10 Uhr nach Hause, wo es mir dann freilich immer sehr einsam vorkommt.
Aber „man gewöhnt's” sagt Bauernfeld, und so wird es sich denn auch wohl machen.
Meine hartnäckige Erkältung hat mich endlich gänzlich verlassen, und mein
Befinden ist vollkommen nach Wunsch, habe guten Apetit u. schlafe vortrefflich.
Freilich habe ich meine Aufwärterin dahin gebracht um 7½ Uhr den Ofen zu heizen
u. kann ich um 8 Uhr meinen Kaffee trinken.
Die Kinder könnten mir zu Weihnachten Ottos Buch fertig machen, und zum
Weihnachtsgeschenk mir zusenden; mache sie darauf aufmerksam. Ich würde das Buch
von hier an Otto weitersenden. Otto scheint sich ja sehr in London zu gefallen.
Cornelius Brief sendest Du mir wohl mit Nächstem.

Mittwoch
Die Frau Jäger möchte uns gerne die Etage die zu meinem Atelier gehört
vermiethen, die Leute die sie bewohnten sind dieser Tage ausgezogen. Es sind
aber außer den beiden Zimmern die ich bewohne, nur 4 andere u. 2 Bodenzimmer,
die Wohnung außer Atelier würde 160 Thl. kosten u. das Atelier würde dann
billigere Miethe kosten, wenn es mit der Wohnung genommen würde. Iich werde noch
einmal fragen, wie viel das Ganze zusammen kosten würde, um zu hören wie billig
man hier zur Noth wohnen könnte, Wenn nur erst die Zeit des Aufzeichnens und
Untermalens vorbei wäre, Du weißt wie schwer ich sie selbst zu Hause immer
duchmache, u. nun erst hier. – Heute hab ich das 2 te
Bild untermalt, u. einen großen Theil des Tages am 3 ten
gezeichnet. ich habe hier ein neues Verfahren kennengelernt, um die
Kohlenzeichnung auf der Leinwand zu fixiren, man übergießt die Leinwand
vorsichtig mit durch Wasser verdünnte Milch. Es ist dies eine große
Annehmlichkeit und erspart viel Arbeit. Wenn die Bilder untermalt sind, werde
ich wieder einige Tage zum Bildersehen verwenden, u. mehrere Ateliers besuchen.
Dann wird auch wohl endlich meine Kiste angekommen sein.
Ich male dann die Ratzeburger Bilder fertig, um die Untermalungen erst
austrocknen zu lassen. Aber alles dies interessirt Dich wohl wenig – ich fülle
aber mit dem Schreiben die Zeit von 4½ Uhr wo es dunkel wird, bis 6 Uhr aus, wo
ich zum Malkasten gehe – und kann mir einbilden mich mit Dir, meine gute Else zu
unterhalten – lang werden mir die 3 Monate werden, die ich von Euch getrennt
sein werde, das fühle ich schon jetzt zu gut. Gesternabend habe ich viel alte
Erinnerungen aus Norwegen, mit den Norweger Künstlern, die hier eine ganze
Colonie bilden, neu beleben können. Es sind sehr bedeutende Künstler darunter,
und erzeugt das Land zu viele, um sie beschäftigen u. ernähren zu können,
weshalb sie größtentheils in Deutschland bleiben.
...
(Briefe Louis Gurlitt an seine Ehefrau Else, Oktober - November 1871 – auf
Motivsuche in Schleswig-Holstein, bei Eutin – übertragen durch die
Sütterlinstube Hamburg)

Plauen d. 1ten Decb. 1883
Mein lieber Memo
Vor allem will ich Dir ein Lebenszeichen aus dem Elternhause u. unsere Grüße
senden!
Wir sind Alle wohl und haben von der letzten Zeit einige erfreuliche Thatsachen
zu berichten:
Aus beiliegenden Brief von Otto ersiehst Du, daß wir seinen Besuch in nächster
Woche erwarten dürfen, denn der Brief von Lulle bringt Erfreuliches über seine
Arbeit, bei Fritz ist ein Bild von mir für 300 M. u. hier beim Kunsthändler
Ernst ein anderes für 650 M. verkauft, so daß dadurch unsere Ausgaben mit den
Zinsen für das nächste Jahr gedeckt sind, wenn wir in derselben Weise wie in
diesem Jahr leben. Fritz ist diesen Augenblick in Rom wenn nicht schon auf der
Rückreise, denn am 5ten wollte er schon in Berlin sein. Seine
Böcklin-Ausstellung hier wird ziemlich gut besucht auch werden Tanagrafiguren u.
Paletten gekauft. Auch wird sie in den Zeitungen vielfach besprochen, theils
anerkennend, theils abfällig und dies wird bei Böcklin immer der Fall sein. Else
ist immer mit dem Malen beschäftigt u. hat in diesem Jahr eine ganz hübsche
Summe dafür eingenommen. Cornelius ist sehr thätig und auch Hans' Geschäft
scheint einigermaßen zu gehen. Das Wetter des November war herrlich, aber heute
scheint es schlechter zu werden; die letzten 4-5 Abende glühte der westliche
Himmel noch eine Stunde nach Sonnenuntergang wie ich es nur früher beobachtet
habe, die Röthe ging selbst bis nach Osten, und ebenso war der Sonnenaufgang
durch einen merkwürdigen Goldglanz ausgezeichnet — woher dies seltene Phänomen
kommt mögen die Gelehrten ergrübeln.
Mama sitzt mir gegenüber und reinigt Teltower Rübchen, die morgen am
Sonntagstisch genossen werden sollen, es ist still und freundlich in unserem
Zimmer.
Else ist in Ausstellungs-Angelegenheiten in der Stadt, Mama u. sie werden Dir
wahrscheinlich auch noch schreiben, darum schließe ich u. hoffe, diese Zeilen
werden Dich, lieber Memo bei guter Gesundheit antreffen.
Die Aufnahme unseres Kronprinzen in Spanien wird Dir auch Freude machen.
In Liebe D.V.

---
Lieber Memo!
Ich bin heute Nacht erst um ½3 Uhr nach Hause gekommen aus einer sehr
vergnügten Gesellschaft und soll nun schon um ½9 Uhr früh schreiben, wo mir noch
all der Unsinn von gestern im Kopfe schwirrt! Dazu gehört wirklich meine an
„Blödsinn grenzenden Geschwisterliebe!”
Aus unserem Leben ist nicht viel zu erzählen. Du kennst es ja, wie wir in großer
Friedlichkeit von einem Tag in den anderen dämmern, jetzt Gott se Dank durch
keine Sorge um Papa beunruhigt u. voller Freude über das Wohlbefinden der ganzen
Familie.
Auf Ottos Besuch freuen wir uns sehr, wenn er nur etwas hier bleiben könnte und
nicht schon nach 2-3 Tagen wieder abreisen muß. Ich nehme jetzt engliche Stunden
bei einer jungen Londonerin, die ich dafür in die Geheimnisse der deutschen
einweihe – mein ganzer Unterricht besteht darin, daß ich immerzu plaudere und
sie die Worte für sich notiert, die ich falsch ausgesprochen oder nicht gewußt
habe – dieselben lerne ich dann auswendig und schreibe außerdem zu Hause
englische Briefe – ich habe die Empfindung recht gute Fortschritte zu machen.
Bis einmal mehr!
In treuer Liebe die Deine Else
Beste Grüße, guter Junge, Du weißt nun Alles. Ich habe eben einen langen
Brief an Ludchen geschrieben u. habe daher genug. Wir leben gar nicht einsam,
sondern haben so viel Besuch, daß es mir oft zuviel wird. Laß bald von Dir
hören.
Deine Alte
....
(Brief Louis Gurlitt's an seinen ältesten Sohn Wilhelm (Memo) Gurltt, Professor
für Archäologie in Graz, und der Brief Tochter Elisabeth's (genannt Else) an
Ihren Bruder, mit einem Gruß der Mutter (Else) – Transscribiert im August 2002
von Elizabeth Baars, Urenkelin von Louis Gurlitt und Dr.Dr. Peter Hohn,
Sütterlinstube Hamburg e.V.)

20. Aug. 1866 Donnerstagabend,
Ehestorf bei Harburg
Es ist diesmal Langeweile, die mich drängte, schon einen zweiten Brief zu
schreiben. Das Wetter ist so schlecht, daß an Arbeiten nicht zu denken ist und
dabei bin ich ganz ohne Lecture, und aus den paar Menschen hier im Hause ist
kein Wort heraus zu bringen. Die Natur hier sagt mir übrigens sehr zu, schöne
große Heidehügel, man kann sie auch Berge nennen, vielfach mit Wald bedeckt,
interessante Sandrutschen und sehr malerische Wege und dazu die weitgestreckte
Ferne mit Hamburg-Altona und die Elbe.
Die Heide, gerade in ihrem violetten Blütenschmuck ist zu prächtig. Ich wohne
in einem Bauernwirthshause in dem kleinen Dorfe Ehestorf bei ordentlichen
Leuten. Essen und Trinken sind gut, auch das Bett leidlich und bei günstigem
Wetter ließe sich hier schon leben. Hoffentlich wird es sich doch endlich
einstellen, jedenfalls bleibe ich so lange hier, bis ich den Stoff zu einigen
Bildern gesammelt habe.
Salzenberg hat versprochen, mich zu besuchen und wird mir Bücher mitbringen
und Dich meine allerbeste Else bitte ich, Herrn Progasky zu veranlassen, mir die
gesammelte Nationalzeitung v. 12. d. M. an, wie verabredet unsere Kreuzband
nachzusenden unter der Addr. Ehestorf bei Harburg bei Gastwirt Treder. Bitte ihn
aber um schleunige Absendung.
Bei Cornelius kleinem Kinde sollen ich, Maria und der Schwiegervater Gevatter
stehen. Die Taufe wird sein, während ich bei Donners wohne Geschenke werden
dringend verbeten und sollen außer den Gevattern niemand geladen werden.
Otto bekommt zum Neujahr 72 Thl., nächstes Neujahr 144 Thl. und so immer
verdoppelt, das wird uns doch immer schon eine Beihülfe sein. Der Junge ist ganz
glücklich in Altona und viel belebter und heiterer geworden. Von seinem früheren
mukschem Wesen habe ich keine Spur mehr bemerkt. Was macht und treibt Ihr denn
in unserem schönen Siebleben? sehr bereue ich Deiner Neigung, mir erst so spät
zu schreiben, nachgegeben zu haben. Wie sehr erwünscht käme mir jetzt schon ein
Brief, während ich nun wohl noch manchen Tag ausharren muß, bis Dein Brief in
meinen Händen ist, da er von Altona erst nach Harburg und von dorther, da kein
Postbote auf hier geht, nur wenn von hier jemand die 2 Stunden entfernte Stadt
besucht, mitgebracht wird -- möge er nur Gutes bringen. Soviel mir scheint, ist
die Bevölkerung hier sehr damit zufrieden, preussisch zu werden. Die Leute
möchten nur wissen, wie sie daran sind, so auch ein Grenzzollbeamter dieses
Orts, dem die 50 Thl., welche preussische Beamte in gleicher Stellung
mehrbekommen sollen, wieder sein Welfenthum leicht vergessen machen. Übrigens
scheint die Annextion nahe bevorzustehen, denn alle Städte des Landes werden mit
Truppen belegt. Seit ich von Siebleben fort bin, leide ich an Hämorhoiden,
gestern und heute so sehr, daß ich vor Schmerz mitunter aufschreien möchte.
Zeitweise ist mir das Sitzen geradezu nicht möglich. Ich habe den Caffe nach
Tische schon aufgegeben und laufe trotz regnerischen Wetters stundenlang auf den
Heidehügeln. Heute habe ich mir kalte Sitzbäder verordnet, die mir eine Zeitlang
Linderung schaffen. Da ich seit einigen Tagen Blut verliere, so hoffe ich doch,
die Anschwellungen werden sich bald legen.
Es ist stockfinster und der Regen klatscht an den Fernstern und obgleich es
erst 8 ½ Uhr ist, bin ich wohl der Einzige noch Wachende im Hause, denn Gäste
habe ich unten noch keine gesehen, die kommen nur an schönen Tagen aus Harburg,
Hamburg-Altona, um Natur zu kriegen.
Meine Unschlittkerze brennt so trüb, daß ich meinen Augen nicht zumuthen darf,
weiter zu schreiben, ohnedies hat dies Blatt seine guten Dienste gethan u. mich
eine Stunde weitergebracht, laß in Berücksichtigung meiner Lage nur recht bald
dem ersten einen zweiten Brief folgen u. erzähle mir recht viel von Haus u. Hof,
den Leuten und besonders den Kindern.
Grüße Alle !!
Nun noch ein Sitzbad und dann Gute Nacht Dein Alter
.....
(Brief Louis Gurlitt's an seine Frau Else vom 20. August 1866 während seines
Aufenthalts in Ehestorf auf der Suche nach neuen Motiven und Käufern, übertragen
durch die Sütterlinstube Hamburg)

Egernsund, 6 ten Juni 64
Meine beste Else!
Als ich gestern Morgen um 7 Uhr hier ankam, war das Wetter köstlich und ich machte Pläne was ich alles von den hübschen Motiven an dem Sunde malen und zeichnen wollte. Das Wasser war spiegelglatt und alles so wie ich es am meisten liebe. Der Vormittag ging mit Recognossiren hin, Nachmittags war schon wieder Wind und nichts wollte mir recht gefallen, ich machte endlich eine Zeichnung. Heute ist sehr starker Wind und Regen, ganz durchnäßt komme ich eben nach Hause und bin unentschlossen ob ich bleibe und warte, oder weiter gehe. Ich wohne im Fährhause und habe gutes Bett und Zimmer, aber theuer wird es sein, wie hier überall. Hier bei Egernsund hatten die Preußen eine Brücke geschlagen, welche das Dänische Schiff Rolf Krake zusammen zu schießen versuchte, aber ohne Erfolg, mehrere Häuser zeigen die Spuren der dänischen Kugeln.
D. 8 ten Mittwoch.

Vor meinem Fenster
habe ich das lebhafteste militärische Schauspiel – ich wohne im Fährhaus,
die Fähre gerade vor mir, und heute den ganzen Tag werden Truppen,
Munitions- und die verschiedenartigen Militärischen Wagen herübergesetzt.
Die Truppen von Flensburg kommend halten sehr ermüdet kurze Rast unter
meinem Fenster, um nach Broakes und der Düppelstellung weiter zu gehen, und
die verlassenen Posten dem Feinde in Sonderburg gegenüber wieder
einzunehmen. Nach diesen Truppenbewegungen zu schließen wird der Kampf aufs
neue wieder wahrscheinlich am l2ten entbrennen.
Morgen muß ich fort von hier, um mein Quartier Offizieren zu räumen.
Gestern und heute waren schöne Tage. Heute morgen 6 Uhr brachte mir ein
Unteroffizier Deinen und Memos lieben Briefe, wie er an seine Addr. gelangt
ist, begreife ich nicht, ich zeichnete im Freien und war hoch erfreut über
die Überraschung. Daß Du, meine liebe Else unwohl bist vernehme ich mit
großem Bedauern, hoffentlich sagt mir der versprochene Brief, den ich in
Flensburg vorzufinden hoffe, daß es wieder besser mit Dir gehe. Wie freue
ich mich über Memos sorgenlose Heiterkeit, möge er sie so lange als möglich
genießen. Gestern und heute habe ich die ganzen Tage arbeiten können, und
habe mehrere kleine Motive (Schiffe und Ziegeleien am Sunde) bekommen, heut
Nachmittag war ich aus, der Trubel ist aber zu groß, auch fühlte ich mich zu
sehr ermüdet da ich von 5 bis 11½ Uhr ununterbrochen gemalt und gezeichnet
habe; ich schreibe deshalb, da ich ohnedies so schwer Zeit und Muße dazu
finde — abends will ich mir noch einen Sonnenuntergang skitzieren.

......
(Louis Gurlitt's schreibt an seine Frau Else am 6. Juni 1864 während seines
Aufenthalts in Ekensund als malender Kriegsberichterstatter im deutsch-dänisch
Krieg, – Übertragung durch die Sütterlinstube Hamburg)
